Wie der Lokalpresse zu entnehmen war, soll demnächst im Meindl-Areal in Orlfing, einer Industriebrache bei Dorfen, ein Privatgymnasium namens Oko Private School mit wirtschaftlicher Ausrichtung entstehen. Zielgruppe sollen Schüler sein „mit einem hohen Intelligenzquotienten, die aber aufgrund von Aufmerksamkeitsproblemen, Rechtschreibschwäche, Asperger oder schlechter Schulerfahrungen als ‚underachiever‘ also ‚Minderleister‘ gelten“. (SZ, 19.2.24)

Das Familienunternehmen Hartl betreibt bereits in Hamburg-Barmbek ein Gymnasium in Form eines gemiennützigen Schulvereins, an dem sich die Dorfener Niederlassung dann orientieren soll. Man war vorher schon mit einem Institut auf dem Markt, das Kinder auf besondere Begabungen testet. Die Geschäftsführerin Gabriele Hartl, die ihren Firmensitz in Dietramszell hat, scheint gute Beziehungen zum Kultusministerium in München zu haben. Zweifellos bedient das Geschäftsmodell eine Marktlücke. Es ist kein Geheimnis, dass Bayerns dreigliedriges Schulwesen genügend Schülerinnen und Schüler aus dem Raster fallen lässt. So manche passen nicht in die drei vorgegebenen Schubladen Gymnasium, Realschule und Haupt-bzw. Mittelschule. 

Anstatt die Schulstruktur an die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen anzupassen, indem ein einheitliches, aufeinander abgestimmtes Schulwesen ohne Ausgrenzung und Demütigung eingeführt wird, bastelt man seit Jahrzehnten an Korrekturen, die an der grundlegenden Misere wenig ändern. Erfolgreiche Versuche mit Gesamtschulen waren schnell wieder eingestellt worden, weil man sie aus ideologischen Gründen nicht wollte.

Die gegliederte Schulstruktur produziert weiterhin sog. Schulversager, die man heute als „Minderleister“ oder „underachiever“ sprachlich aufhübscht. Korrekterweise müsste der Begriff „Schulversager“ durch „versagende Schulen“ ersetzt werden. In der Wissenschaft hat man längst erkannt, dass es nicht drei Typen von sog. Begabung gibt, sondern jedes Kind anders ist. Diese Binsenweisheit wird nur von den politischen Entscheidern immer noch nicht zur Kenntnis genommen. 

Verfechter des gegliederten Schulwesens gehen regelmäßig mit der Behauptung an die Öffentlichkeit, es würden zu viele und noch dazu ungeeignete Kinder ans Gymnasium übertreten. Das sei das Problem, warum Scheitern vorprogrammiert sei. Sie schließen dabei ihren eigenen Nachwuchs aus. Statistiken belegen, dass der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die aus Akademikerfamilien kommen und ins Gymnasium übertreten, deutlich höher ist der von Nichtakademikerfamilien. Die Institution Gymnasium setzt voraus: Die Eltern helfen bei den Hausaufgaben und unterstützen ihr Kinder beim Lernen für die Proben. Allein das trägt schon zur Selektion bei. Eltern, die das nicht leisten können, werden darauf verwiesen, das Land brauche auch tüchtige Handwerker. 

Oft wird behauptet, unser Schulsystem sei durchlässig. Das ist richtig. Es ist in der Regel eine Durchlässigkeit von oben nach unten. Gymnasien können Schülerinnen und Schüler abschieben in Realschulen bzw. Fachoberschulen. Und das passiert auch in einer relevanten Zahl. Für die Betroffenen ist es immer mit dem Gefühl des Scheiterns verbunden. 

Weil es nicht gelungen ist, eine Schulreform, die den Namen verdient, durchzusetzen, weichen Eltern, die über das nötige Einkommen verfügen, auf Privatschulen aus. Die Anzahl der Privatschulen in Deutschland steigt ständig. Vorwiegend handelt es sich um Gymnasien. Diejenigen, die sie betreiben, gehen davon aus, dass hier für absehbare Zeit Bedarf besteht, also ein Markt vorhanden ist. 

Ein Privatgymnasium in Dorfen in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof, kann den Bedarf zwischen München und Mühldorf abdecken. Die Betreiberfirma muss sich durch die günstige Lage nicht um die Frage kümmern, wie die Schüler zur Schule kommen. Sie kann sich auf die Organisation des Schulbetriebs im engeren Sinn beschränken. 

In allen Privatschulen müssen Eltern ein Schulgeld bezahlen. Im vorliegenden Fall soll sich das auf 550 € pro Monat belaufen. Das muss man sich leisten können. Das Ministerium schreibt vor, 15 Prozent ohne Schulgeld aufzunehmen. Die Aufnahmegebühr ist bezogen auf das Einkommen der Eltern gestaffelt und beginnt bei 1100 €. Die Oko Private School kann sich auf viele potente Sponsoren stützen. Dabei sind Microsoft, REWE, Fielmann AG, um nur einige aus der illustren Runde zu nennen.

Da durch die geplante Aufrüstung in den kommenden Jahren weniger Geld für das staatliche Schulwesen zur Verfügung steht, wird die Attraktivität privater Schulen weiter zunehmen. Kann das im Interesse der Mehrheit der lohnarbeitenden Bevölkerung sein? Die Frage ist klar zu beantworten. Die Mehrheit der lohnarbeitenden Bevölkerung ist auf ein gutes staatliches Schulwesen angewiesen. Dieses gilt es weiter zu entwickeln.

HE

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